Überstunden in den USA: Aktualisierung
16. Sept. 2023
CK - Washington. Nur in wenigen Bereichen darf der Bundesgesetzgeber ins Arbeitsrecht eingreifen, und im Überstundenrecht hat er es mit dem Fair Labor Standards Act gewagt. Seine Verfassungsvereinbarkeit ist mittlerweile unbezweifelt, aber seine Überstundenregelungen gelten nur, soweit die Einzelstaaten nicht bessere Bedingungen für Arbeitnehmer vorschreiben.
Am 8. September 2023 verkündete das Arbeitsministerium des Bundes eine Aktualisierung der Gehälter, bei denen Überstunden vergütet werden müssen, unter dem Titel Defining and Delimiting the Exemptions for Executive, Administrative, Professional, Outside Sales, and Computer Employees. Es ändert nicht die grundsätzliche Regel, dass jede Stunde über 40 Arbeitsstunden je Woche mit dem Eineinhalbfachen des Normallohns zu vergüten ist. Wochenend- und Feiertagsarbeit zählen nicht als Überstunden, solange die magische Zahl 40 pro Woche nicht überschritten wird.
Die neue Verordnung verpflichtet zur Überstundenvergütung, wenn das Gehalt bis zu $1.059 pro Woche beträgt und entpflichtet davon, wenn es $143.988 pro Jahr überschreitet. Dazwischen gilt eine Mehrfaktorenabwägung, die auf die Art der Tätigkeit abstellt. Blue Collar-Personal ist zur Sondervergütung berechtigt, White Collar-Personal meist nicht. Für Arbeitnehmer günstigere Verträge sind zulässig. Die Aktualisierung tritt erst nach Abschluss der Anhörung der Öffentlichkeit in Kraft.
Beeinflussung der Onlinemoderation verboten
09. Sept. 2023
CK - Washington. Das Bundesberufungsgericht des Fünften Bezirks der USA in New Orleans erließ am 8. September 2023 eine modifizierte Verbotsverfügung, die dem Staat untersagt, die Moderation von Veröffentlichungen in Onlineforen zu beeinflussen:
Defendants, and their employees and agents, shall take no actions, formal or informal, directly or indirectly, to coerce or significantly encourage social-media companies to remove, delete, suppress, or reduce, including through altering their algorithms, posted social-media content containing protected free speech. That includes, but is not limited to, compelling the platforms to act, such as by intimating that some form of punishment will follow a failure to comply with any request, or supervising, directing, or otherwise meaningfully controlling the social-media companies’ decision-making processes.Die Regierung und Oberste Bundesbehörden sollen seit dem Jahr 2020 die Foren beeinflusst haben, ihre Algorithmen anzupassen, um Antivaxxer, Schwurber und COVID-Leugner weniger Gewicht zukommen zu lassen. Dabei sollen sie laut der Begründung in Missouri v. Biden auch Druck dergestalt ausgeübt haben, dass das Ignorieren amtlicher Bitten Folgen für die Foren haben könnte.
Folgen des Vertragsauslaufens: Expiration
07. Sept. 2023
CK - Washington. Das Recht zur ordentlichen und außerordentlichen Kündigung sollte in jedem US-Vertrag für beide Parteien geregelt werden. Sie können sich nicht darauf verlassen, dass ein solches Recht nach einem anwendbaren Gesetz der Einzelstaaten der USA greift. Außerdem ist an die Folgen des automatischen Vertragsendes nach einer bestimmten Vertragslaufzeit zu denken, wenn dieses als Option vereinbart ist. Welche Klauseln überleben das Vertragsende?
Diese Folgen erörterte am 7. September 2023 das Bundesberufungsgericht des Achten Bezirks der USA in St. Louis im Revisionsentscheid Nebraska Furniture Mart, Inc. v. Guardsman US LLC. Ein Versicherer sollte einem Einzelhändler einen Teil der Versicherungsprämien erstatten, die der Einzelhändler von Kunden erlangte, denen er Produktversicherungen aufschwätzen konnte, und zwar zur Förderung der Werbung dieser Versicherungsdienstleistungen.
Als der Vertrag zwischen den Beteiligten durch Expiration auslief, forderte der Einzelhändler diese Rabatte ein. Die Revision entschied, dass die Versicherungswerbepflicht ausgelaufen sei, und keine weitere Werbung zu finanzieren sei. Mit dem Auslaufen des Vertrags sei auch die Pflicht zur Finanzierung erloschen. Eine Vertragsauslegung der vom Händler gewünschten Art, die Finanzierung sei ein Rabatt oder eine Vergütung, sei nach Prüfung der Auslegungsregeln nicht angebracht. Die Zahlungspflicht könne deshalb das Vertragsende nicht überleben.
Ungeliebtes Wandgemälde versteckt: Haftung?
17. Aug. 2023
CK - Washington. Eine juristische Fakultät stieß sich an zwei Wandgemälden und wollte sie unter stoffhaltigen Schonfliesen verstecken. Der Künstler verlangte rechtliche Abhilfe nach dem Visual Artists Rights Act of 1990, Pub. L. No. 101-650 (tit. VI), 104 Stat. 5089, 5128–33, durch eine Verbotsverfügung.
Sowohl das Untergericht als auch das Bundesberufungsgericht wiesen die Klage ab. Das Gesetz schützt die Rechte eines Künstlers auf Lebenszeit. Es erkennt ein moralisches Recht und ein Recht auf Integrität des Werks an.
In der Revision betonte das Bundesberufungsgericht des Zweiten Bezirks der USA in New York City im Fall Kerson v. Vermont Law School, Inc., am 18. August 2023, dass das Gesetz Kunstwerke vor Zerstörung und Veränderung schütze, nicht vor ihrem Verdecken. Der Gesetzgeber fordere die Beteiligten auf, eine Abwägung der gegenseitigen Interessen zu treffen. Die beabsichtigte Maßnahme trage diesen Rechnung, weil die Werke weder zerstört noch verändert würden.
Virales Video, Presserecht und Beleidigung
16. Aug. 2023
CK - Washington. Die Grenzen der verfassungsgeschützten Pressefreiheit und der Beleidigung zeigt der Revisionsentscheid Nicholas Sandmann v. New York Times Co. vom 16. August 2023 auf. Zeitungen und Fernsehsender berichteten von einer viral ausgestrahlten Videoaufnahme, die auf den ersten Blick einen trump-inspirierten Schüler in einer rassistischen Haltung gegenüber einem trommelnden Indianer zeigt.
Spätere Berichte erklärten das Bild differenzierter, und die Schule entschuldigte sich für das Verhalten der Schüler. Die Schulklasse hatte das Weiße Haus besucht, MAGA-Mützen erworben und befand sich auf dem Weg zum Lincoln-Monument. Dort stieß es auf eine Protestgruppe von Indianern und in deren Nähe auf eine Gruppe Schwarzer Israeliten, die alle anderen mit Beleidigungen auszeichneten. Ein alter Indianer wollte sich mit Trommel und Gesang den Frieden und seine innere Ruhe bewahren, und der Schüler wollte sich nicht einschüchtern lassen und wich niemandem aus. Die Klasse versammelte sich um ihn, als das Video aufgenommen wurde, und dem Indianer der Weg versperrt wurde.
In ersten Berichten wurde die Aufnahme als Beleidigung des Indianers durch die Schüler charakterisiert, und als weitere Stellungnahmen bekannt wurden, stellte die Presse die Lage nachbessernd dar. Der Schüler klagte, weil die Berichterstattung ihn beleidige, weil sie ihn in ein falsches Licht rückte.
Das Bundesberufungsgericht des Sechsten Bezirks der USA in Cincinnati sammelt zunächst die unterschiedlichen Perspektiven der Teilnehmer und verzeichnet dann die Darstellungen in den diversen Meldungen der beklagten Presse. Seine gründliche Darlegung des Presserechts samt Subsumtion führt zum Ergebnis, dass die Journalisten mit der gebotenen Sorgfalt recherchierten und berichteten und deshalb kein Anspruch aus dem Recht der Diffamierung bestehen kann. Die Presse habe Ansichten veröffentlicht, nämlich die unterschiedlichen Auffassungen über den Vorfall, und keine Fakten falsch dargestellt. Ansichten eignen sich nicht als Beleidigungsanspruchsgrundlage.
Dicker statt dünner: Produkthaftung
21. Juli 2023
CK - Washington. Eine Behandlung mit einem neuen Gerät sollte des Klägers Fett absaugen, doch nahm es zu, und das neue Fett kann nur durch eine Operation entfernt werden. Er verklagte den Hersteller des Geräts. Die Revision bestätigte in Terrance Nelson Cates v. Zeltiq Aesthetics Inc. am 21. Juli 2023 die Klagabweisung.
Ein Produkthaftungsanspruch bestehe nicht, weil der Hersteller die behandelnden Ärzte über das minimale, doch bekannte Risiko der Fettvermehrung ausführlich und ausreichend unterrichtet hatte. Ein Warnfehler liege also nicht vor, und das Gerät tauge in nahezu allen Fällen für den vorgesehenen Zweck.
Wenn ein Risiko bestehe, sei eine Abwägung von Vor- und Nachteilen rechtlich zulässig, doch hatte der Kläger kein Gutachten für diese Abwägung beigebracht. Soweit er sich darauf berufe, dass als Alternative zum behaupteten Warnfehler eine Täuschung der Verbrauchererwartung vorliege, antwortete das Bundesberufungsgericht des elften Bezirks in Atlanta, dass er eine unbillige Erwartung angesichts der bekannten Risiken hatte, keinen Schadensersatzanspruch.
Verbot unechter Online-Bewertungen
08. Juli 2023
CK - Washington. Unter dem Titel Trade Regulation Rule on the Use of Consumer Reviews and Testimonials wird das Bundesverbraucherschutzamt FTC in Washington, DC, einen Verordnungsentwurf veröffentlichen, der sich gegen unechte Online-Bewertungen sowie die Unterdrückung echter Negativbewertungen richtet.
Die Verkündung des Textes erfolgt im Federal Register. Die amtliche Begründung erläutert Praktiken im In- und Ausland, wobei sie Verbraucheransichten ebenso wie die Erfahrungen eines global aktiven Bewertungsunternehmens in Dänemark berücksichtigt. Das Amt hat bereits Schritte gegen Influencer eingeleitet, die es so definiert:
(b) Celebrity testimonial means an advertising or promotional message (including verbal statements, demonstrations, or depictions of the name, signature, likeness, or other identifying personal characteristics of an individual) that consumers are likely to believe reflects the opinions, beliefs, or experiences of a well-known person who purchased, used, or otherwise had experience with a product, service, or business.Die bisher dem Amt vorgetragenen Erfahrungen von Verbrauchern deuten auf gravierende Probleme hin. Einerseits werden Verbraucher durch unechte Bewertungen zu Verträgen mit schlechter als dargestellten Anbietern animiert. Andererseits gibt es mehr als erwartet Anbieter, die Schlechtbewertungen zum Anlass nehmen, Bewerter zu bedrohen und zum Widerruf ihrer Ansichten zu veranlassen.
Interessierte werden aufgerufen, den Verordnungsentwurf zu kommentieren, bevor die Verordnung in Kraft gesetzt wird.
Grenze der Online-Haftungsimmunität
03. Juli 2023
CK - Washington. Der Supreme Court vermied bis zum Ende seines Amtsjahres 2022-2023 die Erörterung der Haftungsimmunität von Onlineforen, doch das Bundesberufungsgericht des Neunten Bezirks der USA in San Francisco scheute nicht davor zurück, §230 des Communications Decency Act einzuschränken. Zumindest wagte es, ihn in der Schlüssigkeits- und Aktivlegitimationsprüfung neu auszulegen.
Die Klägerin behaupte, die Zuweisung von Suchergebnissen durch das Forum diskriminierten. Als Schwarze und Behinderte sei sie dem Forum bekannt, und sie fand bei ihrer Wohnungssuche nichts. Hingegen wies das Forum einem neben ihr sitzenden weißen Forumsmitglied auf dieselbe Anfrage Wohnungsangebote nach. Das Forum verfügt über die persönlichen Daten der Besucher.
Seine Auswahlmethodik stelle das Forum den Personen gleich, die die Haftungsimmunität nicht genießen, erkannte das Gericht am 23. Juni 2023 im Fall Vargas v. Facebook. Das Forum sei wie die Kunden, die Beiträge einstellen, zu behandeln, wenn es über die redaktionelle Tätigkeit hinaus Suchergebnisse mit bestimmten Personen verknüpfe und damit die Informationsbereitstellung beeinflusse.